Vom Treibhausgas zum Kunststoff
Von: Steven Micksch
Problem? Gelöst! Das Start-up „CO2Bio Clean“ aus Eschborn stellt aus Kohlenstoffdioxid biologisch abbaubares Plastik her.
Kunststoff ist heute überall. Nicht nur als verarbeiteter Stoff in sehr vielen Produkten, sondern auch ungewollt im Boden, Flüssen und im menschlichen Körper. Das bereitet vielen Menschen Sorgen und ist auch der Gesundheit nicht zuträglich. Kann der Mensch also die Risiken von Plastik vermindern, ohne auf die Annehmlichkeiten des Kunststoffs im Alltag zu verzichten? Fabiana Fantinel und Alessandro Carfagnini können es. Die beiden haben 2019 das Unternehmen „CO2Bio Clean“ gegründet und wandeln Kohlenstoffdioxid in Biokunststoff um.
Das CO2 durchläuft dabei biologische und chemische Schritte. Mikroorganismen sorgen für eine Fermentation des Gases, und in den Zellen entsteht schließlich das Polymer. Das wird schließlich extrahiert, so dass man den Kunststoff entweder in Pulver- oder Faserform gewinnt. Im Anschluss kann er weiterverarbeitet werden.
Die großen Vorteile des Biokunststoffs sind zum einen, dass er CO2-Emissionen als Ausgangsstoff nutzt, und zum anderen, dass aus ihm kein Mikroplastik wird, da er biologisch abbaubar ist und die Umwelt dadurch nicht verschmutzt.
„Wir nutzen Kohlenstoffdioxid direkt an den Produktionsstätten“, sagt Fabiana Fantinel. Eine Forschungsanlage betreibt das Start-up im Industriepark Höchst, um die Umsetzbarkeit der Technologie unter industriellen Rahmenbedingungen zu demonstrieren. In der räumlichen nahen Provadis-Hochschule, die zum Industrieparkbetreiber Infraserv gehört, werden die Bakterien für die Fermentation hergestellt. Zudem gibt es noch ein Labor in Italien, wo die Gründerin und der Gründer ihre Wurzeln haben.
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xDie Serie
Das Problem: Kunststoff wird oft im Freien genutzt, als Folie, Schnur oder Stab. Verwittert der Stoff, dringt Mikroplastik in Böden und Grundwasser.
Die Idee: Ein biologisch abbaubarer Kunststoff, der aus Kohlenstoffdioxid gewonnen wird, zerfällt mit der Zeit zu Wasser und CO2.
Die Problemlöser:innen: Fabiana Fantinel und Alessandro Carfagnini.
Firma „CO2BioClean“, Eschborn,
Kontakt: info@co2bioclean.com,
Tel. 06196/999 4221
In unserer Serie „Problem? Gelöst!“ stellen wir Menschen aus Hessen und ihre Visionen vor, die Wirklichkeit geworden sind. Es sind Menschen, die mit ihren Start-ups und Unternehmensgründungen helfen, für alle eine bessere Zukunft zu schaffen. mic
Alle Teile der Serie sind auf den Online-Seiten der FR zu finden. Die Adresse lautet fr.de/geloest
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Obwohl die beiden bereits 2017 mit der Forschung begannen und 2019 dann gründeten, war und ist es ein weiter Weg bis zur großen Produktion. Aktuell sei man in der Vorproduktionsphase, in der man die Prozesse und Produkte noch optimiere. Ende 2025 könne es vielleicht zur Planung einer kommerziellen Anlage kommen, 2026 dann eventuell die Herstellung anlaufen. Vorausgesetzt man bekomme eine entsprechende Finanzierung in Millionenhöhe. Aktuell laufen Gespräche mit möglichen Investoren.
Trotzdem hat das Start-up bereits Kunden, die es mit kleineren Stückzahlen versorgt. Anwendungsgebiete sind beispielsweise die Landwirtschaft. So kann aus dem Polymer eine Art Seil gefertigt werden, das zur Befestigung von Weinreben dient. Auch Kunststoffummantelungen zum Schutz von jungen Pflanzen haben die beiden bereits gefertigt und getestet. Weitere sinnvolle Anwendungsgebiete seien Kosmetikflaschen oder -verpackungen sowie Kaffeekapseln. Das Start-up versucht den Kundenkreis noch aufzustocken.
Je fester das Produkt, desto schwerer ist der biologische Abbau, und umso länger hält das Produkt. Kleine Stücke, die beispielsweise abbrechen, werden teilweise in sechs Monaten abgebaut und wieder zu Wasser und CO2. „In einer reinen Umgebung ohne Bakterien gibt es gar keinen natürlichen Abbau“, sagt die 50-jährige Gründerin aus Kronberg. Dadurch könne man den Biokunststoff auch gut in Laboren einsetzen, ohne Angst haben zu müssen, dass er zerfalle.
So schön der Biokunststoff auch scheint, mindestens einen Nachteil hat er: den Preis. Die Stücke seien entsprechend teuer, weil sie nur in kleinen Stückzahlen gefertigt würden. Aktuell könne man zwar auch nicht mehr fertigen, doch selbst mit einer Produktionsstätte werde es wohl keine Massenproduktion zu Cent-Preisen geben. Es braucht also eine spezielle Nachfrage von Firmen, die bewusst gesünderen Kunststoff wollten oder denen Nachhaltigkeit am Herzen liege. „Viele Menschen fangen an, an Nachhaltigkeit zu denken“, sagt Fantinel mit Zuversicht.